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Voraussetzungen zur Erhebung von IP-Adressen

   
9. Juli 2024

Wer handelt im Internet? –Voraussetzungen zur Erhebung von IP-Adressen durch die Staatsanwaltschaft

Auch wenn man das Internet nur virtuell betreten kann, hinterlassen Nutzende stets digitale Spuren. Über IP-Adressen kann man die Identität von Nutzenden bzw. deren Anschlüsse oder Geräte verfolgen. Welcher Nutzer oder welche Nutzerin hat sich welche Website angeguckt? Von wem wurden Daten heruntergeladen? Wer hat Posts in sozialen Medien erstellt? Bei strafrechtlichen Ermittlungsverfahren sind Antworten auf diese Fragen von erheblichem Wert. Doch was sind IP-Adressen und unter welchen Voraussetzungen kann die Staatsanwaltschaft an sie gelangen?

Was sind IP-Adressen?

Das Internet ermöglicht den Transfer von Daten zwischen verschiedenen Orten. Die Daten brauchen für einen gezielten Transfer von Gerät zu Gerät IP-Adressen. Kennt man diese IP-Adressen, kann man in Erfahrung bringen, welche Geräte bzw. Anschlüsse miteinander interagiert haben. So kann man z. B. sehen, von welchem Computer aus eine Website geöffnet wurde. Bei IP-Adressen unterscheidet man zwischen dynamisch vergebenen und statischen IP-Adressen. Statische IP-Adressen werden einem Gerät fest zugeordnet, während dynamische IP-Adressen nur für den Zeitraum der Nutzung an ein Gerät vergeben werden. Durch das IPv6-System können mehr statische IP-Adressen vergeben werden, sodass in Zukunft die Verwendung dynamischer IP-Adressen abnehmen wird.

Erhebung von IP-Adressen nach § 100j StPO

Auf den ersten Blick liegt eine Erhebung von IP-Adressen über die Bestandsdatenauskunft gem. § 100j Abs. 1 StPO nahe. Bestandsdaten sind alle Daten, die für die Vertragsgestaltung der jeweiligen Dienstleister notwendig sind und können von der Staatsanwaltschaft erhoben werden, wenn dies zur Erforschung des Sachverhalts oder Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten erforderlich ist. Statische IP-Adressen sind als vom Telekommunikationsdiensteanbieter fest vergebene Anschlusskennungen auch Bestandsdaten. Dynamische IP-Adressen sind hingegen gem. § 176 Abs. 3 TKG explizit Verkehrsdaten und können nicht gem. § 100j Abs. 1 StPO erhoben werden.

Darüber hinaus wird in § 100j Abs. 2 StPO eine Rechtsgrundlage für die Erhebung dynamischer IP-Adressen gesehen. Grundsätzlich sind Ermittlungsbehörden gem. § 100j Abs. 2 StPO dazu ermächtigt, nach Angabe einer IP-Adresse und eines konkreten Nutzungszeitraums weitere, zu der IP-Adresse zugehörige Bestandsdaten wie die Identität des Anschlussinhabers oder der Anschlussinhaberin zu erheben. Hierfür muss die Staatsanwaltschaft die genutzte IP-Adresse jedoch bereits kennen.

Für eine Erhebung dynamischer IP-Adressen gem. § 100j Abs. 2 StPO spricht, dass die Staatsanwaltschaft Informationen erhält, die den Bestandsdaten vergleichbar sind. Da sowohl statische als auch dynamische IP Adressen Aufschluss über die Identität eines Internetnutzers liefern, erscheint es widersprüchlich, dynamische IP-Adressen nicht gem. § 100j StPO erheben zu können. Gleichwohl sprechen bessere Argumente gegen eine Erhebung von dynamischen IP-Adressen gem. § 100j StPO. Der Wortlaut des § 100j Abs. 2 StPO lässt lediglich eine Erhebung „anhand von zugeordneten IP-Adressen“ zu, nicht von zugeordneten IP-Adressen selbst. Eine für eine Analogie notwendige Regelungslücke ist nicht gegeben, da dynamische IP-Adressen als Verkehrs- bzw. Nutzungsdaten im Wege anderer Ermittlungsmaßnahmen erhoben werden können.

Erhebung von IP-Adressen nach § 100g StPO

Eine Erhebung von dynamischen IP-Adressen als Verkehrsdaten bei Telekommunikationsdiensteanbietern ist gem. § 100g StPO möglich. Die Verkehrsdatenerhebung setzt einen auf Tatsachen begründeten Verdacht zu einer im Einzelfall erheblichen Straftat oder einer mittels Telekommunikation begangener Straftat voraus. Für die Einordnung, ob eine Straftat erheblich ist, verweist § 100g StPO entweder auf den Straftatenkatalog aus § 100a Abs. 2 StPO oder setzt mittels Kommunikation begangene Straftaten voraus. Dies umfasst jegliche Straftaten, die durch das Senden und Empfangen von Signalen begangen werden. Im Bereich der Internetkriminalität fallen hierbei typischerweise das Ausspähen, Abfangen und die Hehlerei von Daten gem. § 202a bis § 202d StGB, aber auch über das Internet begangene Betrugstaten gem. §§ 263, 263a StGB und auf Internetplattformen begangene Beleidigungen gem. § 185 StGB.

Erhebung von IP-Adressen direkt beim Beschuldigten

Ist den Ermittlungsbehörden eine Online-Kennung des Beschuldigten wie z. B. seine E-Mail-Adresse bekannt, können Ermittler beispielsweise E-Mails mit Lesebestätigung senden. Versendet der Empfänger die Lesebestätigung, versendet er auch automatisch die IP-Adresse seines Geräts bzw. Anschlusses. Da bei diesem Vorgang ebenfalls die IP-Adresse als Verkehrsdatum erzeugt wird, können Ermittlungsbehörden sie auf diese Weise auch ohne Beteiligung eines Telekommunikationsdienstleisters unter den Voraussetzungen des § 100g StPO erheben.

Erhebung von IP-Adressen nach § 100k StPO

Telemediendiensteanbieter wie Website-Betreiber müssen für ihre Vertragsgestaltung selten statische oder dynamische IP-Adressen als Bestandsdaten oder Verkehrsdaten speichern. Für sie handelt es sich bei diesen Daten um Nutzungsdaten, die sie benötigen, um ihre Dienste im Internet anzubieten. Die Erhebung von Nutzungsdaten erfolgt unter den Voraussetzungen des § 100k StPO. Ähnlich wie bei der Verkehrsdatenerhebung gem. § 100g StPO setzt die Nutzungsdatenerhebung einen auf Tatsachen begründeten Verdacht hinsichtlich einer im Einzelfall erheblichen Straftat oder einer mittels Telekommunikation begangener Straftat voraus. Die mittels Telekommunikation begangenen Straftaten sind hier jedoch durch den Straftatenkatalog aus § 100k Abs. 2 StPO begrenzt, welcher aus den typisch im Internet begangenen Straftatbeständen besteht.

Daneben können Ermittlungsbehörden gem. § 100k Abs. 3 StPO bei Vorliegen eines Anfangsverdachts hinsichtlich jedweder Straftat erheben, wenn ihnen der Inhalt der Nutzung des Beschuldigten bereits bekannt ist. Dies ist beispielsweise bei öffentlich zugänglichen Posts in den sozialen Medien der Fall.

Fazit

Die Staatsanwaltschaft kann statisch vergebene IP-Adressen gem. § 100j Abs. 1 StPO erheben. Dynamische IP-Adressen sind jedoch nur unter den teils höheren Voraussetzungen des § 100g StPO bei Telekommunikationsdiensteanbietern und § 100k StPO bei Telemediendiensteanbietern zu erlangen.

Entwicklungstendenzen beim IPv6-Verfahren haben jedoch erhebliche Auswirkungen auf die Überwachungsmöglichkeiten und Zurechenbarkeit von Internetaktivitäten. Da dynamische IP-Adressen durch die vermehrte Vergabe statischer IP-Adressen an private Nutzer und Nutzerinnen an Bedeutung verlieren, können in Zukunft immer mehr IP-Adressen gem. § 100j Abs. 1 StPO erhoben werden. Obwohl es technisch versierten Nutzern und Nutzerinnen möglich ist, die eigene IP-Adresse zu verschleiern, kann die Staatsanwaltschaft die Identität eines Großteils der Internet-Nutzenden bzw. ihrer Geräte so in einem zweiten Schritt gem. § 100j Abs. 2 StPO nachvollziehen.


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 Diana Nadeborn Diana Nadeborn